Wenn die Jugendlichkeit durchblitzt
Gestern habe ich eine tolle Beobachtung gemacht. Ganz abgesehen davon, dass es überhaupt ein grossartiger Geburtstag war.
Ich bin einem spontanen Impuls gefolgt und habe für Abends unsere Nachbarn zu einem kleinen Apéro eingeladen. Erst war ich noch ein bisschen unsicher, ob das eine gute Idee ist. Wir kennen uns schliesslich noch kaum. Der Impuls war also da, der Verstand hat sich dann wie so oft eingemischt.
Ich bin standhaft geblieben, meinem Impuls gefolgt und habe die Whatsapp-Nachricht mit der Einladung für einen kurzen Drink mutig abgeschickt.
Zum Glück!
3 Menschen haben um 18 Uhr bei uns geklingelt. Angeregte und überraschend tiefgehende Gespräche, 2 Flaschen Moscato, eine Tüte Chips und 3 Stunden später sind wir aufgebrochen.
Nein, nicht etwa in’s Bett, sondern zum Tanzen.
Dem voraus ging ungefähr folgende Konversation am Esstisch:
“Also das war jetzt ein schöner Abend. Wunderbar, wir gehen jetzt ins Bett. Wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten (fast alle Ü60) und brauchen es ja nicht so krachen lassen. Sylvester wird eh überbewertet. Wir sind ja auch schon recht müde. Es war ein langer Tag. Und soweiterundsofort.”
Du kennst diese Texte bestimmt.
“Ja aber beim Italiener vorne haben sie zu Sekt und Feuerwerk eingeladen. Da könnten wir doch noch kurz reinschauen. Wär vielleicht doch noch ganz nett”.
Nach erstaunlich kurzem Hin und Her sind wir tatsächlich beim Italiener aufgeschlagen… und wow, wurde das ein Fest! Völlig ungeplant, völlig unerwartet – und absolut grandios.
Die vorher noch eher zurückhaltenden Nachbarn sind ganz aus sich herausgegangen. Es wurde wild getanzt, leidenschaftlich und laut “Felicità”, “Mamma Mia” und anderes gesungen… die Lebensfreude ist uns – neben ersten Schweissperlen – allen aus den Poren getropft. Herrlich!
Was für mich so faszinierend war: Plötzlich sah ich die Menschen nicht mehr mit ihrem jetzigen, bereits etwas fortgeschrittenen Alter… sondern ich sah das Jugendliche in ihnen durchblitzen. Hinter den Falten, den Speckröllchen, dem vom Leben und seinen Herausforderungen etwas gezeichnetem Gesicht, sah ich die 30-jährige, lebenshungrige Frau, die leichtfüssig und unbeschwert mit ihrem Schatz über’s Parkett schwebt.
Ich sah ihren Partner, der mal ein fescher, junger Mann war und sich voller Hingabe um seine Liebste gekümmert hat. Ich sah die Träume der Jugend und die Ausgelassenheit in ihren Augen, in ihren Körpern, in ihrer Haltung.
Wow!
Wenn die Bedingungen die richtigen sind,
können wir alles Jetzige für einen Moment vergessen und wieder ganz in unsere jugendliche Unbeschwertheit eintauchen. Es war sooo schön!
Weisst du, was ich meine? Hast du das auch schon bei anderen gesehen?
“Was für ein toller Sylvester! So habe ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt! Es hat so gut getan. Es war so ein Spass. Gut, dass wir’s gemacht haben und nicht schon um Zehn in’s Bett sind”, waren die begeisterten Ausrufe hinterher.
Yessss, dem stimme ich nur zu. Und danke meinem Unterbewussten, welches mir frühmorgens den Impuls für diesen Apéro geschickt hat.
Übrigens: Der gestrige Newsletter hatte den Titel “Geh in dich… oder lass es krachen”. Ich dachte eigentlich eher, dass es für mich ein gemütlicher Sylvester werden würde. Dass ich es so krachen lassen würde, war die Überraschung schlechthin für mich.
Und als Reflektorin überrascht zu werden, ist etwas vom Schönsten. Danke Leben. Danke.
